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Ich möchte, dass jeder kommen kann! – Marlene Müller leitet seit 18 Jahren den Seniorenkreis in St. Michael

Caritasverband, Ehrenamt, Seniorenkreis, St. Michael

Heute berichtet Marlene Müller eindrücklich über ihr Ehrenamt in der Caritas. Marlene Müller ist 74 Jahre alt, kommt aus Bayern und leitet seit 18 Jahren den Seniorenkreis in der Gemeinde Sankt Michael in Siegen. Der Seniorenkreis findet jeden Donnerstag in der Zeit von 14.30 – 16.45 Uhr im Gemeinderaum von Sankt Michael in der Kampenstraße 46 in Siegen statt. Als Marlene Müller mit der Arbeit startete, waren es fünf Besucher. Heute kommen über fünfzig Senioren.

Interviewerin: Wie sind Sie zu Ihrem Ehrenamt gekommen?

Marlene Müller: Ich habe schon in Bayern sehr viele Ehrenämter gemacht – in der Jugendarbeit und im Pfarrgemeinderat. Dann bin ich wegen meines Partners nach Siegen gezogen. Ich hatte furchtbares Heimweh und kein Ehrenamt! Dann kam eine Dame von der Caritas zum Sammeln zu mir, die fragte: „Wo kommen Sie denn her? Sie sind ja neu.“ Da habe ich das Heulen angefangen. Sie fragte: „Was ist denn los?“. Ich sagte: „Ich habe keine Aufgabe mehr.“ Da sagte sie: „Wir brauchen unbedingt eine Leitung für den Seniorenkreis.“ Das war vor 18 Jahren. Ich bin dann ganz lieb aufgenommen worden – vielleicht, weil sie jemanden gebraucht haben – aber es war sehr lieb.

Interviewerin: Seitdem leiten Sie den Seniorenkreis?

Marlene Müller: Ja, ich habe mit fünf Leuten angefangen und jetzt sind wir, wenn alle kommen, fünfzig.

Interviewerin: Was machen Sie konkret?

Marlene Müller: Gedächtnistraining, Bingo, Vorträge. Manchmal haben wir feurige Glaubensgespräche. Wir feiern Karneval, wir fahren mit dem Bus weg. Jede Woche.

Interviewerin: Jede Woche kommen 50 Menschen? Kommen auch Männer?

Marlene Müller: Ja. Die Männer spielen Skat im Nebenraum. Zum Kaffeetrinken kommen sie dann dazu. Es gibt Kaffee und Kuchen und Brötchen. Die Leute müssen zwei Euro bezahlen. Manche sagen, wir müssten mehr nehmen. Aber ich möchte, dass jeder kommen kann, der möchte. Wir haben ein paar Sponsoren, sonst reicht das Geld nicht.
Es ist eine schöne Gemeinschaft geworden. Ich habe schon mal gesagt, alle zwei Wochen. Aber da haben die Senioren gesagt: „Nein, nein. Das ist unser Donnerstag.“
Wir haben auch einen Fahrer, der holt diejenigen ab, die nicht mehr gut laufen können. Das ist eine schöne Unterstützung für uns.

Interviewerin: Bereiten Sie das Programm ganz alleine vor?

Marlene Müller (nickt): Ja, wirklich. Ich habe eine Kollegin, zu der habe ich gesagt, du könntest mir beim Schreibkram helfen, dann könntest du es weitermachen. Da hat sie gesagt: „Nein, wenn du aufhörst, dann höre ich auch auf! Ich kann das nicht“. Das wäre verdammt schwer, wenn sich das auflösen würde.

Interviewerin: Da denkt man nicht dran?

Marlene Müller: Doch. Ich werde 75 Jahre alt im Oktober. Aber ich brauche es auch. Seitdem mein Partner tot ist, umso mehr. Ich möchte es so lange machen, wie ich es kann.

Interviewerin: Dann sind wir bei dem Punkt, was fasziniert Sie am Ehrenamt?

Marlene Müller: Ich bekomme sehr viel Liebe von meinen Senioren. Das tut mir schon sehr gut. Das ist ein Vorteil für die, dass ich das mache, aber auch für mich. Ja, und dass ich eine sinnvolle Aufgabe habe. Ich selbst werde geistig gefordert. Ich muss an so vieles denken: „Jetzt musst du noch den anrufen und das machen.“ Das ist für mich ganz wichtig. Das hält mich jung.

Interviewerin: Gibt es eine schöne Begebenheit, die Sie erzählen möchten?

Marlene Müller: Letztes Weihnachten kam ein 92-jähriger Herr zu uns. Er kam von der Schweizer Grenze, ist jetzt zu seinem Sohn gezogen. Ich mag ihn sehr gern. Dann hat er mir Weihnachten eine kleine Pralinenschachtel geschenkt und eine Karte, da stand drauf: „Liebe Marlene, du hast mir das ganze Jahr über so viel Liebe und glückliche Stunden geschenkt. Ich danke dir dafür ganz herzlich!“. Ich las die Karte erst zu Hause, und dann liefen mir die Tränen. Das tut verdammt gut. Von den Senioren kommt sehr viel Dankbarkeit. Sie finden nicht alles selbstverständlich. Ich habe nie geglaubt, wie viele einsame Menschen es gibt.

Interviewerin: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Marlene Müller: Mein Herz hängt sehr am Seniorenkreis und ich wäre sehr traurig, wenn ich mal aufhöre und es keine Nachfolgerin gibt. Das würde ich mir wünschen, dass wir jemanden finden, der mitmacht und später den Kreis übernimmt.

Interviewerin: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Iris Dittmann vom Caritasverband Siegen-Wittgenstein e.V.

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