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Erfolgreich in Ausbildung vermittelt

THM Caritas Bild

Ein Erfahrungsbericht des Teilhabemanagements

Seit Januar hat sich der Fachdienst für Integration und Migration des Caritasverbandes Siegen Wittgenstein e.V.  um das Teilhabemanagement vergrößert. Svetlana Will und Manuel Raichle haben diese Aufgabe übernommen.

Das Teilhabemanagement berät und betreut geflüchtete Menschen zwischen 18 und 27 Jahren mit Aufenthaltsgestattung oder Duldung, v. a. mit dem Ziel diesen den Weg zu einem erfolgreichen schulischen und/oder beruflichen Abschluss zu ebnen und sie in Ausbildung beziehungsweise in Beschäftigung zu vermitteln.

Nähere Informationen zum Teilhabemanagement und die Sprechzeiten finden Sie hier.

 

Manuel Raichle berichtet über seine Arbeit

Hadi Ammouri vor dem Marienkrankenhaus

30. Januar 2020: Ich habe gerade erst zusammen mit meiner Kollegin Svetlana Will unser Teilhabemanagement-Büro im Gebäude der Caritas Siegen im Häutebachweg fertig eingerichtet, da kommt ein junger aber selbstbewusster Mann in meine Sprechstunde. Er spricht hervorragend Deutsch und wir finden schnell Zugang zueinander. „Ich möchte eine Ausbildung als Krankenpfleger machen, ein paar Jahre nach der Ausbildung arbeiten und später Medizin studieren“ antwortet er auf meine Frage hin, wie ich ihm denn helfen könne. „Ganz nach meinem Geschmack“ dachte ich mir: Hier hat sich jemand einen langfristigen Plan gemacht und eine Zukunftsperspektive erarbeitet. Also legen wir gleich mit dem nächsten Schritt los: Wir erstellen gemeinsam die Bewerbungsunterlagen und ich lerne ihn darüber besser kennen.

Hadi Ammouri ist 2002 in Idlib (Syrien) geboren, also 18 Jahre alt, in Damaskus (Syrien) und in Amman (Jordanien) aufgewachsen und 2016 nach Deutschland gekommen. In Cottbus hat er zunächst die Schule besucht und 2019 dort seinen Schulabschluss erworben. In seiner Schulzeit hat er vier schulbegleitende Praktika gemacht, ein Praktikum davon war im Pflegebereich. Das hat Hadi gleich so begeistert, dass er im Anschluss drei weitere Praktika an drei Kliniken in der Krankenpflege absolvierte, darunter an der Charité in Berlin. Danach ist er mit seinen Eltern und seiner Schwester nach Siegen gezogen. Er spricht Deutsch, Englisch und Arabisch, ist sehr technikaffin und hält sich gerne durch Sport fit.

Nach der Erstellung des Lebenslaufs, schauen wir uns die Zeugnisse an. Hadi hat es geschafft in nur drei Jahren, die deutsche Sprache zu lernen und einen „Mittelschulabschluss“ mit einem Notendurchschnitt von knapp unter 3 zu erlangen und hat sich nebenbei auch noch ehrenamtlich im SOS-Jugendtreff der Schule engagiert. Alle Zeugnisse und Praktikumsbescheinigungen werden eingescannt.

Hadi macht schnell klar, dass er gerne in Siegen bleiben und hier seine Ausbildung absolvieren möchte. Da er Kinderkrankenpfleger ausschließt, bleiben drei Kliniken, bei denen er sich bewerben kann. Also schreiben wir gemeinsam die Bewerbungsanschreiben für diese Kliniken, erstellen Bewerbungs-PDFs, die Hadi per E-Mail verschickt und er bekommt alle Bewerbungen auch noch einmal ausgedruckt, damit er zusätzlich zur E-Mail auch eine postalische Bewerbung abgeben kann. Ich konnte Hadi natürlich keine Garantie auf Erfolg geben, doch wir waren guter Dinge, dass er noch im April seine Ausbildung beginnen kann.

Nach zwei Wochen erreicht mich eine E-Mail von Hadi. Er hat von allen Kliniken eine Absage erhalten und nachdem er telefonisch nach den Gründen fragte, wurde ihm kein Grund für die Ablehnung mitgeteilt. Hadi schrieb: „Ich bitte Sie um einen Termin, damit Sie mir sagen, was von Fehler ich gemacht habe und was kann ich noch machen.“ Hadi hat definitiv keinen Fehler gemacht. Habe ich etwa Fehler gemacht? Waren die Bewerbungsunterlagen zu schlecht? Ich schaute nochmal alles durch: Nein, ich war mir sicher, dass die Bewerbungsunterlagen fehlerfrei waren. Also beschäftigte ich mich damit, die Gründe der Ablehnungen telefonisch in Erfahrung zu bringen. In einem Klinikum waren alle Ausbildungsplätze belegt. Die beiden anderen Krankenhäuser gaben an, dass der Notendurchschnitt leider zu schlecht sei.

Das war für mich ein Grund näher nachzufragen, war ich doch irritiert. „Ein Bewerber, der innerhalb von 3 Jahren nicht nur die deutsche Sprache, sondern auch die schulischen Inhalte so gut gelernt hat, dass er ohne Verzögerung einen deutschen Schulabschluss erhält und in der Schulzeit bereits drei Praktika absolviert hat, soll wegen des Notendurchschnitts abgelehnt werden?“ führte ich erneut aus. Plötzlich hatte ich die Aufmerksamkeit meines Gegenübers erreicht. „Sie haben Recht. Wir müssen wohl an unseren Auswahlkriterien arbeiten. Bitte setzen Sie sich mit dem Sekretariat in Verbindung und machen Sie für Herrn Ammouri einen Termin zu einem Vorstellungsgespräch aus.“ Hadi ging zum Vorstellungsgespräch, überzeugte und bekam eine Zusage.

Ausbildungsbeginn in der Pandemie

19. Mai 2020: 9:00 Uhr: Ich treffe Hadi vor dem St. Marien-Krankenhaus Siegen. Er trägt einen Kittel und eine Maske und macht gleich klar: „Besser wir berühren uns gar nicht“. Ernsthaft aber dennoch in positiver Stimmung beantwortet er mir einige kurze Fragen. Seine Ausbildung begann nicht mit vorsichtigem Kennenlernen in der Berufsschule oder einer unbeschwerten Führung in seiner Ausbildungsstätte. Unter strengsten hygienischen Maßnahmen wurde Hadi gemeinsam mit den anderen Auszubildenden direkt in den bestehenden Dienstplan integriert: Abteilung A1 – Darmchirurgie. Blutdruck, Puls und Temperatur messen, Waschen, Transportieren, Dokumentieren. Kein sanfter Einstieg, sondern sofort in die praktische Arbeit. Die theoretischen Inhalte, die eigentlich in der Schule Thema wären, lernt Hadi von zu Hause aus. Natürlich ohne Laptop und auch sein Smartphone ging pünktlich zum Ausbildungsbeginn kaputt. Also musste er alle Aufgaben handschriftlich abgeben. „Das war jetzt nicht so leicht für mich“, sagt er. Durch die Maske kann ich seinen Mund nicht erkennen aber seine Augen sind hellwach, fokussiert und drücken Freude aus. Von seiner Ausbildungsvergütung hat er sich jetzt ein neues Smartphone und einen Laptop gekauft, damit er die Online-Schooling-Aufgaben schneller und besser erledigen kann.

Für ihn sind die strikten Hygienemaßnahmen kein Problem, die Sorgen seiner Eltern kann er verstehen und achtet deshalb ganz besonders darauf, sich nicht anzustecken. Praktisch habe er den anderen Azubis durch seine Praktika ein wenig voraus, konnte ihnen deshalb manchmal in den ersten Wochen einiges zeigen. Hadi kam vor vier Jahren nach Deutschland, ohne die Sprache zu können, ohne die Kultur zu kennen und ohne Schulabschluss. Jetzt steht er vor dem St. Marien-Krankenhaus als Auszubildender der Krankenpflege mitten in der Corona-Pandemie und strahlt Ernsthaftigkeit und Gelassenheit aus.

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